In ihrer künstlerischen Arbeit untersucht Galina Leonova die Transformation sozialer und moralischer Wertmodelle sowie die erkenntnistheoretische Erschließung unserer Realität vor dem Hintergrund des aktuellen technologischen Fortschritts. Dieses Themenfeld behandelt sie insbesondere im Rahmen installativer und filmischer Arbeiten, in denen sie die spezifischen Schnittpunkte zwischen menschlicher Lebenswelt und neuen Medien auf experimentelle Weise auslotet und reflektiert. Im selben Moment beinhaltet ihr Schaffen eine wiederkehrende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen von Zukunftsszenarien, welche ihr als fiktiver Spiegelpunkt für die Analyse gegenwärtiger Entwicklungen dienen.
Air
In ihrem 2014 produzierten Video Air folgt Galina Leonova der grundlegenden Frage, wie sich die Zukunft der menschlichen Spezies langfristig unter dem Eindruck der heutigen Technologien ausgestalten wird. Im Zentrum der Handlung steht dabei ein russischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2364, der die Menschheitsgeschichte der vergangenen 350 Jahre rückblickend aus seiner zukünftigen Gegenwart erzählt. Durch neue Methoden des Transfers zwischen biologischen Organismen und digitalen Informationssystemen ist die menschliche Spezies zu diesem zukünftigen Zeitpunkt bereits in eine andere Natur übergegangen, die als kollektive Intelligenz in einer immateriellen „Cloud“ lebt. Ergänzend zu den Schilderungen des Wissenschaftlers umfasst der als „Mocumentary“ angelegte Film zahlreiche dokumentarische und animierte Sequenzen, anhand derer sich ein fortführender Dialog zwischen den erzählerischen Inhalten und den visuellen Bildmaterialien ergibt. Nicht nur steht die Arbeit somit auf narrativer Ebene für ein Ineinanderfallen von Fakt und Fiktion ein, sondern zugleich eröffnet sie Einblicke in das Wesen einer möglichen Zukunft, in der auch die bisher bestehenden Grenzen zwischen Individuum und Kollektiv, Natur und Technik, Utopie und Dystopie sowie Leben und Tod aufgehoben zu sein scheinen.